Snowbird

In Kanada nennt man die Leute, die der Kälte entfliehen und den Winter an warmen Orten wie Florida verbringen, “Snowbirds” (Schneevögel). Ich finde eigentlich, ich gehöre nicht zu den Snowbirds, aber Tatsache ist, dass ich doch einer bin. Ich verbrachte den vergangenen Winter im milden Klima der Sunshine Coast in British Columbia. Heute bin ich froh, dass ich nicht in Neufundland war, denn dort jagte ein Schneesturm den anderen. Immer noch liegt Packeis in der Bucht der kleinen Gemeinde, wo ich lebe, und überall gibt es riesige Schneehaufen.

Die Bucht ist immer noch voll Packeis, das hoffentlich bald vom Wind auf den Nordatlantik hinaus geblasen wird.


Trotzdem bin ich froh, wieder hier zu sein. Als ich vom Flughafen in Deer Lake Richtung Norden fuhr, sah ich Karibus und einen Elch. Ich hielt an, um ein Video des aufgepeitschten Ozeans zu machen, obwohl meine Finger eiskalt wurden, aber die Faszination war stärker.

Karibus im Gros Morne National Park.

Heute gab es ein paar Sonnenstrahlen. Die Einheimischen haben während des ganzen Monats April keine Sonne gesehen. Ich führe wieder den Hund der Nachbarn spazieren und freue mich an meiner Pflegekatze. Ich schreibe auch am neuen Calista-Gates-Krimi weiter. Der Covid-19-Virus hat sich in unserer Gegend ausgebreitet, was es schwieriger macht, Leute zu treffen. Ich bin allerdings den ersten Touristen begegnet. Eine Frau fragte mich, wann das Eis in der Bucht schmelzen werde. Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich wird der Wind die Schollen vorher in den Ozean hinaustreiben.

Eisbären in St. Anthony an der Nordspitze Neufundlands (Foto Darrren Stryde).

Diesen Winter verpasste ich mehrere Eisbären, die durch die Küstendörfer wanderten. Einer kletterte auf ein Hausdach. Als die Bewohnerin merkwürdige Geräusche hörte, öffnete sie die Tür, um nachzusehen. Zu ihrer Überraschung sah sie sich einem Eisbären gegenüber! Sie schlug schnell die Tür zu. Der Vorfall wurde von der Überwachungskamera ihres Nachbarn festgehalten.

Um unser Haus können wir jetzt Snowbirds beobachten, und damit meine ich nicht mich. Wenn diese Vögel auftauchen, dann ist das ein Zeichen, dass der Frühling hier ist. Ich weiß, dass der Frühling im Norden Neufundlands ganz anders aussieht als in der Schweiz oder Deutschland oder Österreich. Deshalb finde ich es hier ja auch so spannend. Und abenteuerlich!

P.S. Übrigens kommt Mitte Mai mein Reiseführer “Newfoundland und Labrador abseits der ausgetretenen Pfade” in den Buchhandel. Man kann ihn auf Amazon oder auf der Webseite des Verlags 360 Grad Medien vorbestellen oder kaufen.